Die wichtigsten Informationen auf einen Blick
Unter einer Musterfeststellungsklage (auch Musterklage) ist eine zivilrechtliche Klage zu verstehen, die Verbraucherzentralen stellvertretend für eine Anzahl an Geschädigten erheben. Mit der Verbandsklage besteht die Möglichkeit, gegen Unternehmen rechtlich vorzugehen – etwa, wenn diese unzulässige AGB verwenden oder, wie im Prozess um manipulierte Abgastests, ihre Kunden arglistig täuschen. Für Privatpersonen sind derartige gerichtliche Auseinandersetzungen in der Regel sehr kostspielig. Darüber hinaus können die Erfolgschancen ungewiss sein. Die Musterfeststellungsklage setzt genau an diesem Punkt an und sorgt dafür, dass Einzelpersonen nicht selbst gegen Unternehmen und Konzerne klagen müssen.
Die Betroffenen haben stattdessen die Möglichkeit, ihre Zahlungsansprüche im Klageregister anzumelden. Kommt es zu einem erfolgreichen Musterfeststellungsurteil, lassen sich die eigenen Forderungen durchsetzen. Denn das Gericht hat in diesem Fall bereits festgestellt, dass der Beklagte beispielsweise gegen Gesetze verstoßen hat und Entschädigung leisten muss.
Wenn Sie sich als geschädigter Verbraucher an einer Musterfeststellungsklage beteiligen wollen, ist eine Anmeldung im Klageregister erforderlich. Sie brauchen hierfür zunächst keinen Rechtsbeistand. Das zuständige Gericht veröffentlicht die Informationen zur Musterfeststellungsklage im Klageregister beim Bundesamt für Justiz. Durch die Anmeldung stellen Sie sicher, dass Ihre Ansprüche nicht verjähren und Sie diese später bei Bedarf leichter gegen das Unternehmen durchsetzen können. Zur Erklärung: Das Feststellungsurteil in einer Musterfeststellungsklage hat Bindungswirkung für alle angemeldeten Verbraucher. Dadurch ist die einmal gefällte Entscheidung vor Gericht auch für nachfolgende Verfahren bindend. Neben Ihren persönlichen Daten geben Sie im Online-Anmeldeformular nähere Angaben zu Ihrem Fall an.
Wichtig: Eine Musterfeststellungsklage setzt voraus, dass mindestens 50 Verbraucher in das Verfahren eingebunden sind. Die Klage kommt daher nur vor Gericht, sofern sich mindestens 50 Verbraucher innerhalb von zwei Monaten ab Bekanntgabe in das Klageregister eintragen.
Wenn das Gerichtsverfahren abgeschlossen ist, ergeht ein Feststellungsurteil oder ein Prozessvergleich. Bei einem Prozessvergleich handelt es sich um einen einvernehmlichen Kompromiss, auf den sich die Verbraucherzentrale und das beklagte Unternehmen einigen.
Musterfeststellungsklage ist nicht gleich Sammelklage
Bei der in den USA üblichen Sammelklage erfolgt der Prozess im Namen aller Geschädigten. Dabei spielt es keine Rolle, ob sich die Verbraucher für die Klage angemeldet haben. Die Schadensersatzforderungen übersteigen zudem häufig den eigentlichen Schaden.
Für betroffene Verbraucher hat die Musterfeststellungsklage mehrere Vorteile:
Obwohl eine Musterfeststellungsklage für geschädigte Verbraucher mit mehreren Vorteilen verbunden ist, gibt es Nachteile: Sie sollten unter anderem bedenken, dass der Prozess mehr Zeit in Anspruch nimmt im Vergleich zu einer individuellen Klage. Ein Feststellungsurteil erleichtert zwar die Durchsetzung Ihrer Ansprüche, dennoch benötigen Sie dafür in der Regel einen Rechtsbeistand.
Bei einer Musterfeststellungsklage fallen für Sie keine Anwalts- oder Verfahrenskosten an. Die Anmeldung im Klageregister ist für Verbraucher kostenlos.
Kosten entstehen somit erst, wenn Sie im Anschluss an die Musterfeststellungsklage weitere rechtliche Schritte unternehmen – etwa, um das Unternehmen auf Schadensersatz zu verklagen. Je nach Sachlage kann es sinnvoll sein, sich im Vorfeld einer Musterfeststellungsklage rechtlich beraten zu lassen. Zum Beispiel, wenn nicht eindeutig ist, ob Sie tatsächlich zum Kreis der betroffenen Verbraucher gehören und entsprechende Ansprüche haben.
Dieselskandal bei VW: Eine der bekanntesten Musterfeststellungsklagen der vergangenen Jahre in Deutschland richtete sich gegen den Automobilhersteller Volkswagen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) klagte stellvertretend für eine große Zahl an Verbrauchern, deren Fahrzeuge durch eine manipulierte Abgas-Software höhere Emissionen ausstießen als angegeben. Im Februar 2020 einigten sich VW und der vzbv im Rahmen der Musterfeststellungsklage auf einen Vergleich. Etwa 245.000 betrogene Dieselbesitzer erhielten daraufhin eine Entschädigung.
Abgasskandal bei Mercedes: Nach der erfolgreichen Klage gegen die Volkswagen AG hat der vzbv eine weitere Musterfeststellungsklage gegen Mercedes eingereicht. Der Vorwurf: Auch Mercedes soll bei Dieselfahrzeugen die Abgaswerte durch den Einsatz unzulässiger Abschalteinrichtungen bewusst manipuliert haben. Das Urteil in diesem Prozess ist aktuell allerdings noch nicht rechtskräftig, und der Bundesgerichtshof muss über die Revision entscheiden.
Prämiensparen und fehlerhafte Zinsanpassungsklauseln bei Sparkassen: Mehrere Verbraucherverbände haben Musterfeststellungsklagen gegen verschiedene Sparkassen erhoben. Die Prämiensparverträge der beklagten Sparkassen enthielten unzulässige oder fehlende Zinsanpassungsklauseln. Dadurch erhielten viele Sparer über Jahre zu geringe Zinsen. In mehreren Verfahren haben Oberlandesgerichte bestätigt, dass die Zinsklauseln unwirksam waren und die Sparer Anspruch auf Nachzahlungen haben.
Verbandsklageregister: Das Verbandsklageregister gibt Ihnen Auskunft zu abgeschlossenen und laufenden Verfahren.
Die Musterklage ist für geschädigte Verbraucher zwar zunächst kostenfrei. Eine Rechtsschutzversicherung kann allerdings Unterstützung leisten, wenn es danach um die individuelle Durchsetzung von Ansprüchen geht. Jeder Betroffene muss seinen konkreten Schaden im Anschluss an die Musterfeststellungsklage eigenständig einklagen oder einfordern, sofern es keine Vergleichslösung gibt.
Eine Rechtsschutzversicherung übernimmt häufig die Anwalts- und Gerichtskosten für die Folgeklage und bietet zudem eine telefonische Rechtsberatung oder juristische Erstberatung. So lassen sich die Erfolgsaussichten und das beste Vorgehen klären.